Deine Abwesenheit

Ich erinnere mich an unsere ersten gemeinsamen Tage, an denen ich von der Sonne wachgeküsst wurde, die Wärme der Strahlen wie weiche Federn sanft auf meiner Haut spürte und meine braunen Augen von dem Licht zum Glühen gebracht wurden. Ich erinnere mich an die warmen, weißen Bettlaken, in denen ich morgens an Sommertagen zu gerne verweilte, um an deine Worte zu denken und daran dachte, wie schön es jetzt wäre, wenn du hier seist. Ich stand auf, schob die langen, weißen Vorhänge zur Seite und lies die Sonne herein. Ich bat sie, Platz zu nehmen, den Tag mit mir zu verbringen und am Abend, schwerenherzens, unter zu gehen. Du ähnelst der Sonne, dachte ich. Obwohl ich niemals deine echte Gestalt, deine Augen, deine Hände, deine Körperwärme wahrnehmen konnte, warst du doch immer anwesend, solange die Sonne bei mir war und mich wärmen konnte. Doch du bist nicht mehr da – diese Verbindung bloße Illusion, die Reflektion meiner tiefsten Bedürfnisse und all die Zeit lediglich eine Ablenkung für dich, um die längst vergangene Liebe zu vergessen. Du bist nicht mehr da – deine Abwesenheit bringt mich noch um den Verstand. Du bist nicht mehr da – die Sonne, sie geht nun nie auf. Sie geht tausend mal unter.

Es war der Nachthimmel, der mich an dich erinnerte. Mit all seiner Pracht – der Mond, die Sterne, Wetterleuchten, Nordlichter, Sternschnuppen. Die Vielfalt, das Gefühl von Verbundenheit. Unendlichkeit, die außergewöhnlichen Konstellationen. Das Strahlen der Sterne traf mich, erwärmte mein Herz in der Nacht, wie die Sonne am Tag. All das schien so nah und doch so fern. Es spendete mir Trost, wenn ich daran dachte, dass du wohl zu der selben Zeit in den Nachthimmel schautest und dasselbe sahst wie ich. Vielleicht hast du dir das selbe gewünscht wie ich, vielleicht hast du diese Nähe über die Ferne hinweg gespürt und vielleicht dachtest du gerade an mich. Es war die Hoffnung, dass es genau so war, die mich zum Schluss zerbrach und mir alles an Gefühle nahm, was ich noch übrig hatte. Du bist nicht mehr da – die Sterne strahlen nie mehr so, wie sie mit dir strahlten.

Deine Worte, so unausgesprochen. Die Ferne, die Ferne, sagtest du. Ich glaubte dir nicht. Die Ferne, sie war da, noch immer ist sie es – verschwinden wird sie wohl nie. Doch- war ich zu romantisch veranlagt, um tatsächlich zu glauben, Gefühle würden es über Entfernung hinweg schaffen? Vielleicht war ich das – vielleicht warst du auch einfach mit deinen Gedanken ganz woanders, bei jemand ganzanderem.

Deine Worte, die Ungewissheit, was du fühltest – sie ließ mich nicht ausatmen. Ich hoffte, du würdest mir noch etwas beichten wollen, mich an deinen Gefühlen teilhaben lassen. Ich hoffte, du fühltest das selbe wie ich. Ich wartete, bangte. Die Ferne, die Ferne, sagtest du.

Ich hielt die Luft an- konnte diesen Verlust nicht ertragen – mit der Hoffnung, deine Worte, deine Geschichten, die Erinnerungen, verlassen mich nie so, wie du es tatest. Mit der Hoffnung, ich kann sie einfangen – die Liebe, die nie da wahr.

Suche nach Schutz

Es verging über ein Jahr, bis ich zu dem Entschluss gekommen war, dich gehen zu lassen. Es verging ein Jahr, in dem ich mich selbst kennenlernte, meine Werte entdeckte und damit begann, den Grundstein für einen Neuanfang zu legen. Voller Sonnenschein und Wagemut legte ich Stein für Stein aufeinander. Es waren mal größere, mal kleinere, mal abgenutzt, mal so neu, dass man sie erst schleifen musste, um sie richtig einzubauen. Doch ich begang den schrecklichen Fehler und verließ mich auf deine Hilfe, auf deinen persönlichen Beitrag – deine Steine. Das Haus stand, es bot mir einen Rückzugsort, Schutz vor Blitz und Donner im Sommer. Der Winter kam, die Blätter verloren ihren Wille zu leben und die Kraft, sich an den kahlen Ästen festzuhalten, verließ sie. Der eisige Wind als Antrieb ließ sie wandern, beginnend in den stillen Gassen der Stadt, über fremde Gärten der Dörfer, bis hin zu den kalten Winterböden der Wälder. Die Vögel, voller Aufruhr, machten sich auf die Reise in den Süden, folgten einander in Richtung der Sonne, um sich vor der Grauheit des Winters zu schützen und der Depression zu entfliehen. Blumen und Pflanzen verschanzten sich, schlossen ihre Knospen und Blüten, krochen in die Erde, um ihre Schönheit zu bewahren.

Doch ich – hilflos und verloren – konnte mich weder vom kühlen Wind treiben lassen, noch war ich in der Lage, zu fliegen. Ich war keine Blume, dazu fehlte mir die Schönheit – ich konnte meine Blüten nicht verstecken, um sie im Frühjahr wieder blühen zu lassen. Ich konnte nicht fliehen, nicht rennen, nicht schleichen. Ich konnte mich nicht schützen vor den maroden Wänden und Decken meines scheinbar sicheren Hauses. Ich saß in diesen Räumen, ignorierte das Knarzen der Böden, das Wackeln der Wände – versuchte, es zu überhören, redete mir ein, es sei nur der Wind, der wie ein Sturm über meine Seele herzieht. Ich stand vor dem Fenster, sah den Winter in vollster Kraft und bemerkte nicht, wie du still und heimlich deine Steine aus dem Haus hinausschlugst, wie du es einstürzen ließt und diese Steine nahmst, zertrümmertest – Stück für Stück, bis sie nicht mehr zu erkennen waren – sie mir vor die Füße schmissest und mich fragtest, ob dies Zeit genug war, mir diese Steine zu leihen, um mein Haus zu bauen. Ob es genug Zeit war, mir einmal das Gefühl zu geben, ich hätte tatsächlich mein Zuhause gefunden. Ich sah das Haus einstürzen, spürte die restlichen Steine auf mir, die nicht ausreichten, um es instand zu halten. Keine Bausteine der Welt konnten es so stabil machen wie die seine. Nach dir, nach dem Sturm, der in meinem Herzen wütete – mein Zuhause verloren, meine Seele gebrochen, mein Haus zu Schutt und Asche geworden, der ewige Winter nun angebrochen.